Törnbericht 08.05 – 22.05.2010
Der Sturm kreischt in der Takelage und Evenstar zerrt wie ein Wildpferd an der Mooring Tonne. Selbst an unserem idyllischen und geschützen Liegeplatz in Loch Maddy kann an diesem Donnerstagmorgen von Ruhe keine Rede sein. In das Kreischen des Windes mischt sich immer wieder das Prasseln das Regens. Seit vier Tagen sind wir bereits unterwegs zu unserem Ziel St. Kilda, einer Inselgruppe im offenen Atlantik ca. 40 Seemeilen westlich der Äusseren Hebriden gelegen.
St. Kilda war mindestens zwei Jahrtausende lang bewohnt. 1930 wurde die Insel von der damaligen Bevölkerung verlassen. Heute gehört St. Kilda dem National Trust for Scotland und ist seit 1986 eine der vier schottischen Welterbestätten. Mittlerweile wird die Hauptinsel Hirta ganzjährig von einigen wenigen Rangern und Soldaten bewohnt.
Das Anlanden ist nur in der Village Bay von Hirta möglich und gilt generell als schwierig. Nur bei ruhigem Wetter ist dies gefahrlos möglich. Der nautische Revierführer empfiehlt, sich jederzeit bereit zu halten, um auf das Schiff zurückzukehren, weil Schwell das Liegen vor Anker unmöglich machen kann.
Während der ersten Tage unserer Reise durften wir bereits das gesamte Repertoire der schottischen Wetterküche kennenlernen: Schneeregen, Starkwind, Flaute und stark wechselnde Windrichtungen gestalten unsere Reise Richtung St. Kilda anspruchsvoll.
Abwechslungsreich und richtig sympatisch finden wir die faszinierende Landschaft und die Schotten. Die Inneren Hebriden verwöhnten uns nach anfänglicher Flaute mit bestem Segelwind und einem sonnenreichen Abend in Tobermory, einem windreichen Schlag über die Hebridensee nach Barra. In Loch Boisdale schenkt uns ein Fischer sogar eine riesige Menge seiner Krabben. Wir revanchieren uns mit einigen Dosen deutschen Bieres, welche gerne angenommen werden.
Nun kreist also unsere Evenstar, eine Bavaria 38, munter um die Mooring Tonne in Loch Maddy. An einen Schlag durch den Sound of Harris Richtung St. Kilda ist heute bei den angekündigten 8 Windstärken aus südlicher Richtung nicht zu denken. Schweren Herzens beschließen wir erst einmal weiter gen Norden nach Stornoway zu segeln. Werden wir St. Kilda auf diesem Törn überhaupt noch ansteuern können?
Gerade peitscht der Wind wieder heftige Regenschauer über das Deck, gleichwohl heißt es jetzt „Leinen los“. Wir holen die Mooring Tonne auf der Steuerbordseite kurzstag, legen Ruder nach Backbord und werfen die Leinen los. Eine Seemeile lang steuern wir unter Maschine an Untiefen vorbei und setzen unsere Sturm erprobte Arbeitsfock.
Evenstar beschleunigt mit Leichtigkeit auf 7 bis 8 Knoten. In der Hebriden See surfen wir die langen Wellen mit bis zu 12 Knoten auf der Logge hinunter. Gigantisches Segeln bei Raumschots Wind lässt uns vor Begeisterung jubeln. Nach wenigen Stunden haben wir die fünfzig Seemeilen nach Stornoway geschafft.
In Stornoway mieten wir ein Auto und erkunden einen ganzen Tag die Inseln Lewis und Harris. Wir sind faziniert von der rauhen Westküste, den Standing Stones, der Black House Village Siedlung und sagenhaften Fjordlandschaften.
Gemeinsam mit dem Hafenmeister analysieren wir abends die Wetterlage. Übermorgen soll sich das Wetter beruhigen. Morgen soll es noch einmal starken Wind aus westlichen Richtungen geben. Ideal für eine Reise zum schottischen Festland nach Ullapool.
Ullapool ist mit seinen rund 1350 Einwohnern in den dünn besiedelten westlichen Highlands der größte Ort im Umkreis vieler Meilen.
Bei Wolken, Sonnenschein und Starkwind geht es rasant zur schottischen Festlandsküste. In gut 6 Stunden haben wir die 52 Seemeilen zurückgelegt. Die Berge rings um Ullapool sind Mitte Mai immer noch mit Schnee bedeckt.
Am nächsten Morgen wird von BBC4 erstmalig keine Sturmwarnung für die Hebriden herausgegeben. Es ist von moderaten 4 bis 5 Windstärken aus West bis Südwest auszugehen. Später abnehmend auf 3 bis 4.Sollte unser Segeltörn uns doch nach St. Kilda führen?
Der Schlag von Ullapool nach St. Kilda ist mit 150 Seemeilen recht ordentlich.
Abends stehen wir vor dem Eingang zum Sound of Harris.
Nur noch die mit Untiefen gespickte Passage von annäherend 15 Seemeilen trennt uns von dem offenen Atlantik. Wir segeln bei moderatem Wind und wenig Welle durch den Sound und erleben einen fantastischen Sonnenuntergang.
Der Atlantik empfängt uns wenig später mit einer angenehmen Dünung. Wir segeln in die Nacht hinein gen Westen.
Am Vormittag erblicken wir St. Kilda bei strahlendem Sonnenschein.
Um Punkt 12.00 Uhr fällt unser Anker auf 5 Meter Wassertiefe. Wir stecken reichlich Kette. Mit uns liegt eine Motoryacht und ein Kreuzfahrtschiff auf Reede in der Village Bay vor Hirta. Wir sind beeindruckt von der kargen Schönheit der Landschaft und der Ruhe, die einzig durch das Schreien der Seevögel unterbrochen wird.
Die Menschen auf St. Kilda haben sich über Generationen hinweg fast ausschließlich von Seevögeln und Fisch ernährt, waren weitestgehend unberührt von der restlichen Welt und haben gleichwohl sehr zufrieden und harmonisch gelebt. Wir sind jedenfalls sehr froh und dankbar, endlich hier angekommen zu sein.
Wenig später machen wir unser Beiboot an der einzigen Kaimauer der Insel fest und erkunden die Insel Hirta. Außer den Geräuschen der Seevögel und dem Wind ist nichts zu hören. Jeder von uns ist sichtlich beeindruckt und kann sich kaum losreißen von dieser in seiner Einfachheit beeindruckenden Inselwelt.
Ein weiterer Tag hier wäre sicherlich wunderschön. Aber das Ende unseres Segeltörns ist in greifbare Nähe gerückt. Außerdem scheint sich das Wetter erneut zu ändern. BBC4 verkündet wieder zunehmenden Wind und so lichten wir kurz nach 20 Uhr unseren Anker und segeln in die Nacht hinein.
Für den Rückweg haben wir den Sound of Barra gewählt und wollen auf Eriskay einen Zwischenstopp einlegen, bevor es dann wieder zu den Inneren Hebriden zurückgehen soll. Die Distanz zwischen St. Kilda und Eriskay beträgt gut 90 Seemeilen.
Bei einer frischen Brise aus Südwest vergeht die Nacht unter Segeln wie im Flug. Mittags passieren wir den Sound of Barra und laufen am Nachmittag in die geschützte Bucht von Eriskay ein. An einer Mooringtonne machen wir fest und erkunden die kleine Insel bei unserem Landgang. Nicht weit entfernt von Evenstar sonnen sich einige Robben. Eriskay gehört zu den Äusseren Hebriden und liegt zwischen Barra und South Uist.
Der nächste Schlag führt uns zurück auf die Inneren Hebriden in das wunderschöne Loch Drumbuie (Loch na Droma Buidhe), einem einzigartigen und sehr geschützten Naturhafen.
Über Oban geht es zurück nach Craobh Haven, wo wir den Segeltörn am letzten Abend bei Fish & Chips im Lord of the Isles ausklingen lassen.